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Alltagsrassismus und junge Wissenschaft

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VON SINTHIOU BUSZEWSKI

DeFoto Sinthiou Buszewskir Anlass meines Textes ist das Gala-Dinner der Assistententagung Öffentliches Recht 2015. Es fand im Steigenberger Hotel „Drei Mohren“ statt. Die Auswahl eines Restaurants, welches einen rassistischen Namen trägt, ist kritikwürdig. Aber auch ganz allgemein möchte ich mit diesem Blogbeitrag auf das Problem des Alltagsrassismus aufmerksam machen, das uns gerade als Rechtswissenschaftler*innen angeht. Wir arbeiten mit und durch Sprache. Sprache bestimmt gesellschaftliches Miteinander. Im Folgenden möchte ich daher Argumente, die mir einige Kollegen auf der Tagung entgegenbrachten, die aber ganz typisch für das zugrundeliegende Problem sind, kritisieren, zurückweisen und entkräften. 

Argument 1: Das Wort „Mohr“ ist nicht rassistisch oder als Abwandlung: Es ist doch gar nicht rassistisch gemeint, sondern rein historisch.

Der Begriff „Mohr“ ist ähnlich wie der Begriff „Neger“ rassistisch. Die Benutzung des Begriffs in Kunst und Kultur ändert daran nichts. Im Gegenteil, hier kommt die rassistische Verwendung sogar oft zum unmittelbaren Ausdruck. Ja, der Begriff „Mohr“ hat eine historische Bedeutung. Es wurde im Mittelalter und ab dem 18. Jahrhundert synonym mit „Neger“ benutzt. Der „Mohr“ als Wappenzeichen etwa wurde als Form der Demütigung des Islams benutzt.

Argument 2: „Mohr“ heißt doch nur „Schwarz“ und ist daher rein deskriptiv.

Nein, nicht ganz. Der Begriff geht etymologisch auf das Wort „maurus“ (lateinisch) aber auch auf das Wort „moros“ (griechisch) zurück. Ersteres bedeutet schwarz, dunkel und afrikanisch; zweiteres schlecht, töricht und dumm. Negativ belegt war das Wort von Anfang an.

Oft wird das Argument dann wie folgt abgewandelt: Das hab ich eben so gelernt.

Zwar sollte (hoffentlich) dieses Exemplar des Nicht-Arguments bald aussterben, Berechtigung hat es freilich nicht. Es ist der kleine Bruder des Arguments: Das wird man ja noch sagen dürfen.

Argument 3: Es gibt doch auch die Mohrenstraße in Berlin und die Mohren-Apotheke.

Na und? Seit wann macht mehrfaches Unrecht plötzlich Recht? (Zur auf die Verschleppung von Afrikaner zurückgehende Geschichte der Mohrenstraße in Berlin hier und hier)

Sprache formt unsere sozialen Beziehungen. Das wissen wir als Rechtswissenschaftler*innen doch besonders gut. Deshalb ist es auch so schmerzhaft für mich, dass die Veranstaltung im „Drei Mohren“ stattfand. Wir sollten uns nicht zu schade sein, auch eingeübten Formen von Alltagsrassismus die Stirn zu bieten. Alltagsrassismus meint z.B. die unreflektierte Benutzung etwa von Klischeebildern vom “schwarzen Kontinent”, vom schwarzen Mann mit dicken Lippen und Kulleraugen, Goldkettchen behangener Gangster oder lustiger Dummköpfe ohne Persönlichkeit und in den meisten Fällen als der Diener oder der Sklave des weißen Mannes (hier ein paar Bilder). Verbunden mit dieser Darstellung sind Eigenschaften der Untertänigkeit, Dummheit und Unterlegenheit. Wie wir während des Gala-Dinners überall sehen konnten, wurde auch im Steigenberger der Mohr als eben solcher Stereotyp dargestellt: Dicke Lippen, schwarz, keinerlei besondere identifikatorische Merkmale, die die drei Mohren unterschieden hätten.

(Bild)Sprache kann verletzen, kann exkludieren, kann rassistisch sein, selbst wenn der Sprecher keine rassistischen Motive hat. Für uns als Rechtswissenschaftler*innen ist Sprache besonders bedeutsam. Wir arbeiten mit ihr, sie ist für unsere Profession essentiell (cf. Law and Language Ansätze. Zum Einstieg lese hier und hier, zum Problem in der Rechtssprache hier und hier). Gerade deshalb müssen wir die eigene Sprache überdenken, nicht nur im Kontext juristischer Subsumtion bewusst einsetzen und einzelnen Begriffen zugrundeliegende Denkmuster reflektieren. Die Ablehnung, Alltagsrassismus als Problem zu identifizieren und zu bekämpfen, zeugt zumindest von fehlender Empathie.


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