Eine aktuelle Debatte um die fehlende Berücksichtigung von Frauen im “Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart” (JöR) hat erneut gezeigt: Die Sichtbarkeit weiblicher Wissenschaftlerinnen lässt, insbesondere im Öffentlichen Recht, noch immer zu wünschen übrig. Wir appellieren daher an Verlage und Herausgeber*innen: Räumt Rechtswissenschaftlerinnen endlich den Platz ein, den sie verdienen!
In jüngster Zeit lassen sich für die Sichtbarkeit von Rechtswissenschaftlerinnen durchaus Erfolge verzeichnen: Mit den Wahlen von Astrid Wallrabenstein und Ines Härtel zu Richterinnen am Bundesverfassungsgericht sind dort erstmals mehr Richterinnen (9) als Richter (7) im Amt. Auch wurde mit Doris König zum zweiten Mal eine Vizepräsidentin des Gerichts ernannt. Dies hat zweifellos eine starke Symbolkraft. Ein wichtiges Zeichen sendet auch die Nachwuchswissenschaft, die ihre alljährliche “Assistententagung” in Münster 2021 nunmehr unter dem neuen, inklusiven Namen “Junge Tagung Öffentliches Recht” abhalten wird. Sie unterstreicht damit, dass sie dieses Thema ernst nimmt.
All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei der Repräsentanz von Frauen in Wissenschaft und Lehre nach wie vor viele Unzulänglichkeiten gibt. Dies zeigt sich schon bei den Hochschulprofessuren: 2018 lag der Frauenanteil bei gerade einmal 17,6% aller ordentlichen und Juniorprofessuren. Betrachtet man alleine ordentliche Professuren im Öffentlichen Recht, sind nur 16,43% der Lehrstühle von Frauen besetzt (Symbolbild: hier).
Insbesondere jedoch sind Frauen – und damit auch deren Erfahrungshorizont – im wissenschaftlichen Diskurs unterrepräsentiert. Zwar zeigt auch hier die Nachwuchswissenschaft gute Entwicklungen; so betrug der Anteil weiblicher Diskutantinnen auf den “Assistententagungen” der letzten vier Jahre zwischen 38% und 50%. In der breiten Masse und insbesondere in jenen als besonders einflussreich geltenden Foren sieht es jedoch anders aus. Der aktuelle Band des JöR ist insoweit nur Beispiel für ein offenbar systemisches Problem. Wie eine zuletzt 2018 aktualisierte Auswertung juristischer Publikationsmedien zeigt, ist der Frauenanteil in zentralen öffentlich-rechtlichen Kommentaren, Zeitschriften und Handbüchern dramatisch gering. Der Anteil von Frauen in der Autorenschaft liegt demnach bei unter 11%, in der Herausgeberschaft sogar bei unter 5%. Der Anteil von Rechtswissenschaftlerinnen am akademischen Diskurs liegt demnach sogar noch deutlich unter deren institutioneller Repräsentanz.
Die Gründe für diese signifikante Differenz sind vermutlich vielfältig. Wir sind uns auch bewusst, dass eine möglichst starke Beteiligung weiblicher Autorinnen eine langfristige Herausforderung darstellt. Dennoch sollte dieses Ziel bei Verlagen und in der Herausgeberschaft stärker in den Fokus gerückt werden. Insbesondere sollten Nachwuchswissenschaftlerinnen bei der Auswahl von Autoren*innen stärker und angemessen berücksichtigt werden.
Vor diesem Hintergrund möchten wir (junge) Rechtswissenschaftler*innen uns mit einem Appell an die Verlage sowie die Herausgeberinnen und (oftmals) Herausgeber wenden, denen trotz neuer Publikationsformate eine wesentliche Gatekeeper-Funktion im wissenschaftlichen Diskurs zukommt. Wir möchten sie auffordern, im Bewusstsein ihrer Verantwortung, die eigenen Routinen und Gewohnheiten bei der Anfrage und Auswahl von Beiträgen kritisch zu hinterfragen und auf eine angemessene Berücksichtigung weiblicher Autorinnen zu achten. Damit wollen wir uns solidarisch neben jene stellen, deren Arbeit ein größerer Raum im wissenschaftlichen Diskurs zustehen sollte.
All jene Kolleg*innen, die diesen Aufruf unterstützen möchten, können eine Mail an aufruf.rechtswissenschaft@gmail.com mit ihrem Namen und ihrer Funktion/Universität schreiben. Die Liste der Unterzeichnenden wird fortlaufend aktualisiert.
Unterzeichnende (alphabetisch sortiert):
Akbarian, Samira (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Bäcker, Prof. Dr. Matthias (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Bajrami, Shpetim (Bucerius Law School)
Bast, Prof. Dr. Jürgen (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Berger, Carsten (Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer)
Bertram, Alice (Freie Universität Berlin)
Birkenkötter, Hannah (Humboldt-Universität zu Berlin)
Bredler, Eva (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Brings-Wiesen, Tobias (Universität Köln)
Chiofalo, Valentina (Freie Universität Berlin)
Diestelhorst, Anne (Freie Universität Berlin)
Eschenhagen, Philipp (Bucerius Law School)
Farahat, Prof. Dr. Anuscheh (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
Feil, Leonard Amaru (Bucerius Law School)
Fröhlingsdorf, Sarah (Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer)
Fröhlich, Wiebke (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Fründ, Frederike (Universität Hamburg)
Ganter, Jonas (Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer)
Geppert, Kerstin (Helmut-Schmidt-Universität)
Gerdes, Maria (Goethe-Universität Frankfurt)
Giere, Katrin (Universität Leipzig)
Goldberg, Dr. Katharina (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg)
Greve, Ruth (Universität Trier)
Hailbronner, Prof. Dr. Michaela (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Heidebach, Dr. Martin (Ludwig-Maximilians-Universität München)
Heldt, Amélie (Leibniz Institut für Medienforschung I Hans-Bredow-Institut)
Heppner, Charlotte (Humboldt-Universität zu Berlin)
Hong, Prof Dr. Mathias (Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl)
Huggins, Benedikt (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Jürgensen, Sven (Rechtsreferendar/Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
Karamehmedovic, Ademir (Bucerius Law School)
Keesen, Jan (EBS Universität für Wirtschaft und Recht)
Kemmerer, Alexandra (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht)
Kienle, Thomas (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Kießling, Dr. Andrea (Ruhr-Universität Bochum)
Klatt, Matthias K. (Universität Hamburg)
Kolain, Michael (Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer)
Lautsch, Eva Ricarda (Ruhr-Universität Bochum)
Lischewski, Isabel (Rechtsreferendarin/Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Lohse, Prof. Dr. Eva Julia (Universität Bayreuth)
Lops, Claire (Rechtsreferendarin)
Lorenz, Dr. Paul (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Lührs, Lisa-Marie (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Mangold, Prof. Dr. Anna Katharina (Europa-Universität Flensburg)
Markard, Prof. Dr. Nora (Westfälische-Wilhelms Universität Münster)
Martini, Dr. Stefan (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Marosi, Johannes (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Masche, Cora (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Matz-Lück, Prof. Dr. Nele (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Maurer, Marion (Vorsitzende der Regionalgruppe Brüssel des Deutschen Juristinnenbundes)
Menzel, Anna (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Milas, Max (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Müller-Mall, Sabine Prof. Dr. (Technische Universität Dresden)
Neumann, Katja (Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer)
Niehaus, Manuela (Universität Hamburg)
Oehl, Maximilian (Rechtsreferendar)
Pichl, Maximilian (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Potthast, Keno C. (Leibniz Institut für Medienforschung I Hans-Bredow-Institut)
Ramson, Lasse (Universität Bremen)
Rapp, Michael (Ludwig-Maximilians-
Sacksofsky, Prof. Dr. Ute (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Santos, Victoria Guijarro (Westfälische-Wilhelms Universität Münster)
Schatz, Valentin (Universität Hamburg)
Scheid, Christopher (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Schmees, Johannes (Leibniz Institut für Medienforschung I Hans-Bredow-Institut)
Schröter, Nico (Bucerius Law School)
Schubert, Sophie (Freie Universität Berlin)
Seeliger, Paul (Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer)
Steinbeis, Maximilian (Verfassungsblog)
Stix, Carolin (Gleichstellungsrätin/Wiss. Mitarbeiterin Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Tiedeke, Anna Sophia (Leibniz Institut für Medienforschung I Hans-Bredow-Institut/ Humboldt-Universität zu Berlin)
Tormin, Miriam (Bucerius Law School)
Tuchtfeld, Erik (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht)
Valentiner, Dana-Sophia (Helmut-Schmidt-Universität)
von Achenbach, Jun.-Prof. Dr. Jelena (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Völzmann, Dr. Berit (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Weber, Dr. Ruth (Humboldt-Universität zu Berlin)
Wersig, Maria Prof. Dr. (Fachhochschule Dortmund)
Weinzierl, Quirin (Deutsches Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer)
Wittner, Florian (Leibniz Institut für Medienforschung I Hans-Bredow-Institut)
Zagst, Lena (Doktorandin / justizpolitische Sprecherin der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion Hamburg)